SCHNELLERTOLLERMEIER

Foto by Simon Habegger

SCHNELLERTOLLERMEIER

Cafe Wagner, Jena

Andi Schnellmann – electric bass, electric guitar on Animate Become
Manuel Troller – electric guitars
David Meier – drums & percussion

EXPERIMENTAL-AVANT-PSYCH-MINIMAL / POST-JAZZ / KRAUTROCK /
IMPROV
Es gibt Bands, die schöne, intensive Konzerte spielen, sich verbeugen und nach Hause gehen – und es gibt Bands, die Türen aufstossen, die Zeit anhalten und sich mit einer klaren Haltung in die Erinnerung des Publikums einschreiben. Schnellertollermeier sind eine solche Band. Wer sie einmal live erlebt hat wird das bestätigen, und wer ihre Musik zu beschreiben versucht, verwendet meist Adjektive wie überwältigend,minimalistisch, brutal, präzise, monumental, zornig, kontrolliert, fesselnd oder radikal. Bassist Andi Schnellmann, Gitarrist Manuel Troller, und Schlagzeuger David Meier gelingt es, diese Widersprüche zu vereinen und in eine neue, unruhige Ordnung zu bringen.
Ihre Konzerte sind energetische Entladungen aus dem Spannungsfeld zwischen moderner Komposition und freier Improvisation, und hinter den Türen, die die Band öffnet, liegen neue, unvermessene Landschaften aus Minimal Music, Avant-Garde und elektronischen Einflüssen, versehen mit Anleihen aus Krautrock und der Direktheit von Punk. Das schlägt Wellen seit dem Debut „Holz“ von 2008, das Publikum klebt an der Wand, und Julian Cowley vom englischen WIRE vermutet hinter dem hellsichtigen Zusammenspiel der drei Schweizer telepathische Magie. Hier wird kein Konzept vertont, hier fliesst reine Musik, die ihren eigenen Willen besitzt.

Es scheint den drei Musikern nicht um die Verwaltung ihrer Egos, die optimale Vermarktbarkeit ihres Outputs oder das allgemeine Wohlbefinden ihrer Zuhörer*innen zu gehen, sondern um die Abschaffung von
Hierarchien. Die traditionellen Machtverhältnisse zwischen Schlagzeug, Bass und Gitarre werden bei
Schnellertollermeier konsequent aufgehoben. So übernimmt die Gitarre streckenweise die Rolle des
Schlagzeugs als melodisches, scharfkantiges Zentrum der Rhythmussektion, während das Schlagzeug selbst
einen scheinbar eigenen Plan verfolgt. Der Bass verschmilzt untrennbar mit den Frequenzen seiner Nachbarn, oder wird zum mehrstimmigen Hauptakteur, so dass man nicht mehr sagen kann, wo welches Instrument endet und wann welches beginnt. Soli gibt es keine, sondern eng verzahnte, hochenergetische Bögen voller Eskalationslust.
In ihren rauschhaftesten Momenten klingt die Band wie eine einzige grosse Drum-Machine, gebaut aus menschlichen Teilen, die das tun, was Computer eben nicht können: Risiko wagen, eine eigene Logik entwickeln, unerwartete Abzweigungen vorschlagen.
Diesen Weg haben die drei Schweizer über ihre vier bisherigen Alben konsequent beschritten, und sich mit ihrem genresprengenden Werk einen festen Platz auf den internationalen Festivalbühnen erspielt. Vom FIMAV Festival für aktuelle Musik in Victoriaville über den berühmten Avant-Garde Club SuperDeluxe in Tokio bis ans Haldern Pop Festival in Deutschland. Von Europa bis nach Japan, England, China, Kanada, USA, Indien, oder Russland, immer auf der Suche nach grösstmöglicher Intensität.


Ihr neues Album geht dabei nun noch einen Schritt weiter – und dieser führt überraschenderweise mitunter in die Stille. Auf „5“ ist mehr Raum, mehr Nähe, mehr Zeit für Dialog zwischen Musik und Zuhörer*innen. Die sieben Stücke zwischen abstrakter Tanzmusik und schwebenden, elektroakustischen Flächen sind leiser und zerbrechlicher als man es von Schnellertollermeier gewohnt ist. Aber die Welt ist auch eine andere gewordenseit den Vorgängeralben „X“ und „Rights“ aus den Jahren 2015 und 2017. Langjährige Rezepte neu zu suchen und alte Gewohnheiten zu hinterfragen, statt im Zorn dagegen anzurennen ist eine mögliche musikalische Antwort, die Schnellertollermeier auf die Fragen unserer Gegenwart anbieten.
Dahinter steht auch der unbedingte Wunsch der Band, trotz ihres hohen handwerklichen Könnens ihr Publikum nie zu manipulieren, keine fertigen Gefühle oder definitive Aussagen zu liefern, sondern ein Gespräch zu führen. Auf „5“ werden die Zuhörer*innen zum vierten Bandmitglied, Zuhören bedeutet hier Kollaborieren. Auch beim Aufnahmeprozess wurde nach grösstmöglicher Nähe gesucht. Gitarren und Bässe gingen direkt ins Mischpult, ohne Verstärker und Mikrofon dazwischen. Möglichst wenig Distanz zwischen der Band und den Zuhörer*innen. Und so befindet man sich sofort mittendrin in diesem System aus dichten Momenten, kreisenden Bewegungen und kathartischen Erlösungen.
„5“ klingt streckenweise, als könnte man jemandem beim Nachdenken zuhören. Vom zurückhaltend
pulsierenden Opener „209 Aphelion“, den feinnervigen Zuckungen von „Before and after“, den metaphysischen Sphärenverschiebungen von „Tectonics / A Sore Point“ bis zum majestätisch- nachdenklichen Schlusspunkt „Made Of Thin“. Ein Bogen voller kompositorischer Querverweise, Spiegelungen und Abgründe.
Zwischendurch blitzt sie wieder durch, die Gefahr aus den Vorgängeralben, gleichzeitig mitreissend und
reflektiert, zart und mächtig. Kontrolliert, aber nie berechnend. Schnellertollermeier reduzieren, bis nichts mehr trennt.

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