Kaiju bezeichnet ein bekanntes japanisches Filmgenre, in dem vorzugsweise mutierte Monsterechsen eine zentrale Rolle spielen. Ebenso surreal und bizarr dimensioniert gibt sich das zweite Album des Franco-Belgischen Trios um den Schlagzeuger Sylvain Darrifourcq. Nur knapp über vierzig Minuten kurz, fünf Tracks, aber welch ein Kosmos aus diversen Parallelwelten tut sich hier auf.
Im titelgebenden Opener des atuellen Albums drischt das Cello von Valentin Ceccaldi ostinate Powerchords in die Tonspur, dass so manche Metal-Band ihre helle Freude daran hätte. Immer wieder säbelt er kurze thematische Phrasen dazwischen als müsse irgendwas Altes, Verwachsenes dringend zerteilt und rückgebaut werden. Das Neue entsteht zeitgleich in den enorm druckvollen polyrhythmischen Strukturen, die aus Darrifourcqs Drumset erwachsen, wie in einer Art Schöpfungschaos umwirbelt vom entfesselten, zuweilen mehrstimmig überblasenen Tenorsax des Manuel Hermia.
Was folgt sind überweltliche Soundscapes, die immer wieder auch mit Pausen, mit beredter Stille arbeiten. Etwas zieht flirrend heran, türmt sich auf und entlädt sich als klangliches Wetterphänomen. Geräuschgeschichten, die mitunter nur ein einziger fixer Ton durchpulst. Cello und Tenorsax gelten beide als nahe Verwandte der menschlichen Stimme, und so nimmt es nicht wunder, dass manche Passagen sich als chorisches Stimmengewirr entfalten.
Dann wieder synthetische Klangflächen. Eine Zither wird durch Effekte gejagt. Und plötzlich groovt es, wird auf schräge Weise fast tanzbar – Veitstanz vielleicht. Unter allem liegt eine nervöse Grundspannung, die sich erst am Ende in einem ironischen Chillout löst: Collapse in Sportswear möchte man sich umgehend als künftige Lebensmaxime an die Wand sprühen.
Nennen wir es nicht experimentell, denn die Drei wissen sehr genau, was sie tun. Ein exakt kalkuliertes Wanken zwischen poststrukturalistischer Dekonstruktion und freaky Free Jazz. Und sie tun es mit seriöser Spielfreude und unbändiger Energie.